Kiezmagazin für Lankwitz & Lichterfelde
Berlin-Lichterfelde-Goerzwerk ©Peter Hahn

Carl Paul Goerz

(1854–1923)

Weiltweit erfolgreicher Unternehmer fotografischer Apparate und Optiken

Artikel aus 02|2018


Text & aktuelle Fotos: Peter Hahn / Historisches Material: Sammlung Umstätter

Die Goerzallee ist mit 3,5 Kilometern eine der längsten und verkehrsreichsten Straßen in Lichterfelde. Sie trägt den Namen eines Mannes, durch den die deutsche optische Industrie Weltruf erlangte: Carl Paul Goerz. Geboren 1854 in Brandenburg a. d. Havel, wechselte er nach dem frühen Tod seiner Mutter zum Onkel in die „Brillenstadt“ Rathenow, wo er seinen Schulabschluss machte und eine Lehre in der optischen Fabrik Emil Busch antrat.

Nachdem er bei verschiedenen Optik-Firmen weitere Erfahrungen sammelte, wagte er 1886, mit dem Vertrieb fotografischer Apparate in Berlin, den Weg in die Selbstständigkeit. 1888 begann er durch die Übernahme einer mechanischen Werkstatt mit der Eigenproduktion von Fotoapparaten. Seine Firma nannte er „C. P. Goerz, Spezialfabrik photographischer Amateur-Apparate“. Sein Bestreben war es jedoch, eigene Objektive herzustellen. Dafür gelang es ihm, mit C. Moser einen Ingenieur einzustellen, der exzellente Kenntnisse auf dem Gebiet der Berechnung von Linsensystemen hatte. Unter Einbeziehung des Optikers K. Hertel startete er ab 1890 mit der Produktion von Objektiven. Der Sitz des Unternehmens mit dem neuen Namen “Optische Anstalt C.P.Goerz.“ lag in der Schöneberger Hauptstraße 7a.

Goerz erkannte früh, dass sich zunehmend breitere Bevölkerungsschichten für die Photographie interessierten. Den Markt solcher damit im Zusammenhang stehenden Apparate beherrschte zu jener Zeit Frankreich. In den Jahren 1893-1896 knüpfte er Kontakte mit der in Paris ansässigen Firma Eugen Kraus, die in Lizenz u.a. Objektive für die Firma Zeiss herstellte. Zeitweilig war er sogar Teilhaber der Firma. Durch seine dortigen Aufenthalte erwarb Goerz wichtige Informationen, die er mit nach Berlin brachte.

Durchbruch mit Präzisionsoptik

Vor allem die Präzisionsoptik, die er in seinem Portfolio hatte, verschaffte ihm den internationalen Durchbruch. Erstmals machte er sich einen Namen mit dem von ihm entwickelten Objektiv der Marke „Lynkeioskop“. Bereits 1890 sicherte er sich die Lizenz des vom Fotografen O. Anschütz im Jahr 1884 erfundenen „Schlitzverschlusses“. Das Bemerkenswerte daran war, dass mit dieser Technik erstmals eine Fotokamera mittels einer Verschlusszeit von 1/1000 Sek scharfe Aufnahmen von sich schnell bewegendern Objekten machen konnte. Diese weltweit präziseste Schlitzverschlusskamera war 1905 eine Weltsensation. Die leistungsfähige „Ango“ genannte Klapp-Handkamera – offiziell „Goerz-Anschütz-Moment-Camera“, sowie der Verkauf von Innovationen im Bereich von Ferngläsern und Projektoren führten zu einer stetigen Umsatzsteigerung. Einen weiteren großen Erfolg hatte er mit dem 1892 von E. von Högh errechneten Doppel-Anastigmaten, „Dagor“ genannt. Hiermit revolutionierte er die bisherigen Linsenkonstruktionen von Kamera-Objektiven. 1899 expandierte er ins Ausland und errichtete Vertriebsfilialen u.a. in London sowie 1902 ein Zweigwerk in New York.

In Berlin verlagerte Goerz 1897 seine Fabrikation in die Friedenauer Rheinstraße 45/46 – „Goerzhöfe“. Noch heute beeindruckt das Industriedenkmal mit seinen plastischen Darstellungen an der Außenfassade.

Expansion durch Militäraufträge

Der Geschäftsmann Goerz erkannte früh die Chance, mit dem deutschen Militär zu kooperieren, und erhielt seinen ersten Auftrag bereits 1891. (!) Während des 1. Weltkrieges stieg er zum weltweit größten Produzenten militärischer Optik wie U-Boot Periskope auf. Die Mitarbeiterzahl betrug damals 12.000. Sein expandierendes Industrieunternehmen benötigte mehr Platz.

Ein unbebautes Gebiet fand er am südwestlichen Ende der heutigen Goerzallee nahe Schönow. Dort ließ er ein Fabrikgebäude mit drei Innenhöfen vom Architekten Emster errichten. Das Hauptgebäude mit seinen gegliederten Fensterflächen steht heute unter Denkmalschutz. An der zum Teltowkanal zugewandten Seite ist noch die markante Eisenkonstruktion sichtbar. Bis 1922 kamen weitere Gebäude und Werkstätten hinzu. Goerz war ein durchaus sozial denkender Unternehmer. Er führte den 8-Stunden-Tag und den bezahlten Urlaub ein, baute eine Werkssiedlung und schuf eine private Eisenbahnlinie mit Anschluss zum Teltowkanal, mit der die Mitarbeiter kostenlos zur Arbeit fahren konnten. Die „Goerzbahn“ ist heute noch, nach kurzer Unterbrechung, in Gebrauch.

Schon 1921 übernahm sein Sohn die Leitung des Unternehmens. Als C.P. Goerz 1923 starb, war seine Firma nach Carl Zeiss die zweitgrößte deutsche Firma für Optik und Feinmechanik. Aufgrund seiner Zusammenarbeit mit dem deutschen Militär musste er jedoch nach Ende des 1. Weltkrieges und dem „Versailler Vertrag“ die Ausrichtung seiner Firma ändern. Er hoffte aber, den Firmenbestand durch einen Zusammenschluss mit den Jenaer Zeiss-Werken retten zu können. Daraus entstand die Zeiss-Ikon-AG mit einer stark veränderten Produktpalette wie z. B. Sicherheitsschlösser. Die Herstellung optischer Geräte mit Ausnahme von Beleuchtungseinrichtungen und Kameras für Kinoprojektoren wurde im Berliner Werk gänzlich aufgegeben. Lediglich eine Kamera aus Kunststoff, die „Icorette“ wurde kurzzeitig noch angeboten, die jedoch wirtschaftlich ein Desaster war. Mit den Jahren verwischte sich bei Zeiss-Ikon langsam die Spur von C.P. Goerz.

Der historisch bedeutsame Industriebau in der Goerzallee 299 ist jetzt ein Zentrum für Start-ups aber auch für gestandene Unternehmen. Er gilt als positives Beispiel des Wirtschaftswachstums im Berliner Südwesten. Der jetzige Eigentümer hat den Namen des Gebäudes wiederbelebt und das „Goerzwerk“ zur Marke entwickelt.